In den Straßen des mittelalterlichen Erfurt: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Juden und Christen aus rabbinischer Perspektive

Vortrag von Sophia Schmitt und Rachel Furst, Institut für den Nahen und Mittleren Osten, Ludwig-Maximilians-Universität München
Der Geldhandel war nicht nur eines der zentralen wirtschaftlichen Betätigungsfelder der Erfurter Juden, sondern spielte auch eine wichtige Rolle in lokalen sozialen Beziehungsgeflechten. Aus archivalischen Quellen können Kreditgeschäfte zwischen Erfurter Juden und christlichen Stadtbürgern im Allgemeinen erst für die zweite jüdische Gemeinde nach 1349 belegt werden, es wird aber angenommen, dass solche Geschäfte bereits früher nach mündlicher Vereinbarung durchgeführt wurden. Zur Untersuchung dieser Annahme wird der Vortrag daher eine andere Quellengattung in den Blick nehmen, nämlich Antwortschreiben rabbinischer Gelehrter auf Anfragen, die die Praxis jüdischen Rechts in Erfurt und an anderen Orten betrafen. Er wird verdeutlichen, wie die Schreiben trotz ihrer geringen Zahl zum einen die Möglichkeit bieten, Überlieferungslücken der archivalischen Dokumentation zu füllen, zum anderen bieten sie Einblicke in die jüdische Perspektive auf Geldgeschäfte und auf deren Bedeutung. Außerdem soll im Vortrag der soziale Kontext der Kredittätigkeit, beispielsweise hinsichtlich der Beteiligung von Frauen und von Personen mit geringer Verfügbarkeit von Kapital hinterfragt werden. Ausgehend vom Erfurter Beispiel eröffnen sich neue Blickwinkel auf die Diskussion um die Wirtschaftskontakte zwischen Juden und Christen im Mittelalter und um die Rolle, die die Geldleihe darin spielte.
Vortrag am 10.10.23 um 19:30 Uhr in der Alten Synagoge Erfurt

In the Streets of Medieval Erfurt: Economic Relations between Jews and Christians from a Rabbinic Perspective

Lecture by Sophia Schmitt and Rachel Furst, Institute for the Near and Middle East, Ludwig-Maximilians-University Munich

Money trading was not only one of the central economic fields of activity of Erfurt’s Jews, but also played an important role in local social networks of relationships. From archival sources, credit transactions between Erfurt Jews and Christian townspeople can generally be attested only for the second Jewish community after 1349, but it is assumed that such transactions were carried out earlier by oral agreement. To investigate this assumption, the lecture will therefore focus on a different genre of sources, namely letters of response from rabbinical scholars to inquiries concerning the practice of Jewish law in Erfurt and elsewhere. It will illustrate how the letters, despite their small number, on the one hand offer the possibility of filling gaps in the archival documentation, and on the other hand offer insights into the Jewish perspective on monetary transactions and their meaning. In addition, the lecture will question the social context of credit activity, for example with regard to the participation of women and of persons with little availability of capital. Based on the Erfurt example, new perspectives will open up on the discussion about economic contacts between Jews and Christians in the Middle Ages and the role that money lending played in them.
Lecture on 10.10.23 at 19:30 in the Old Synagogue Erfurt